Rede des Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion [Auszug]

Veröffentlicht am 16.10.2008 in Landespolitik

Martin Dulig

Zur Fachregierungserklärung „Nachhaltige Bildungspolitik für unsere Kinder – Bildungsstandort Sachsen zukunftsfähig gestalten“

Es gilt das gesprochene Wort!

Dulig: Sicher besser – aber nicht gut
Wenn wirklich „Jeder zählt“ kann es ein „Weiter so“ an Sachsens Schulen nicht geben.
Ja, Sachsens Schulen stehen im...

...deutschen Vergleich nicht schlecht da und sicher auch nicht, wenn wir die Schulsysteme auf der ganzen Welt betrachten. An diesem Ergebnis haben unsere Lehrerinnen und Lehrer den größten Anteil und dafür gebührt ihnen auch der Dank.
Ja, wir sind besser als andere. Und daran haben wir als SPD einen großen Anteil. Denn wir haben einiges mit in diese Koalition gebracht.
Zum einen unseren besonderen Blick für soziale Gerechtigkeit, der sich an jedem stört, der zurück gelassen wird. Für uns zählt eben schon immer jeder. Gerade hinsichtlich der Schule ist dieser Blick wichtiger denn je, denn in unserer Gesellschaft ist Bildung längst die soziale Frage Nr. 1 geworden.
Wir haben aber nicht nur diesen Blick eingebracht, wir haben auch konkrete Projekte angeschoben und umgesetzt, die es so ohne uns nicht gäbe: Vier will ich kurz erwähnen.
Erstens. Wir haben mit Beginn der Koalition enorm in die frühkindliche Bildung und die Schnittstelle zur Schule investiert und sind dort auf einem guten Weg, den wir fortsetzen müssen. Bis vor vier Jahren waren wir uns bei diesem Thema lediglich mit den Sozialpolitikern der sächsischen CDU einig. Aber diese waren damals allein nicht in der Lage, das gegen ihre Haushaltspolitiker und den eher konservativen Flügel durchzusetzen. Nun haben wir eine Entwicklung, dass frühkindliche Förderung auch in den Focus der gesamten sächsischen CDU geraten ist und deren Familienbild wandelt. Das ist gut so. Gut ist auch, dass wir weitgehend der Gefahr entronnen sind, frühkindliche Bildung als Vorschule aufzufassen, welche die Kinder auf ein einheitliches Schuleingangsniveau heben will. Sicher würden sich das manche Lehrer wünschen, aber es wäre wider der menschlichen Natur und wider aller modernen Pädagogik. Denn wenn es um die bestmögliche Förderung und Entwicklung jedes einzelnen Kindes geht, dann müssen wir akzeptieren, dass diese Kinder sehr verschieden sind, dann müssen wir uns auf diese Verschiedenheit einstellen.
Zugleich aber müssen wir gerade die frühe Phase kindlicher Entwicklung noch stärker nutzen, um Herkunftsnachteile zu kompensieren. Jeder weiß mittlerweile um die sensiblen Phasen frühkindlicher Entwicklung – nur bildungsferne Elternhäuser können damit vielleicht nicht immer etwas anfangen.
Hier bleibt eine Aufgabe, die sich auch im kommenden Haushalt spiegeln muss. So richtig es da z. B. ist, den Betreuungsschlüssel zu verbessern, so falsch wäre es, dies die Eltern bezahlen zu lassen.
Wenn ich zu Förderung und Überwindung von sozialen Benachteiligungen spreche, dann bin ich zweitens auch bei der Erfolgsgeschichte der Ganztagsschulen in Sachsen. Während wir solche Einrichtungen zu Beginn der Koalition nahezu an zwei Händen abzählen konnten – jedenfalls wenn wir nicht dem billigen statistischen Trick der Zählung aller Grundschulen mit Hort verfallen – haben wir jetzt schon fast eine Massenbewegung. Das ist ein guter Anfang und das war nur möglich, weil wir auch Geld in die Hand genommen haben. Wenn wir diesen Weg fortsetzen wollen, ist jetzt der Zeitpunkt, auch im Haushalt Vorsorge zu treffen. Natürlich bleibt dabei auch die qualitative Entwicklung der Ganztagsangebote eine Aufgabe. Da gibt es noch sehr viel zu tun. Ich will nur an die Einbeziehung externer Partner oder die tatsächliche Umstellung des Schulalltages erinnern. Denn Ganztagsangebote sind nicht Nachmittagsangebote – wie ja der Name eigentlich schon sagt. Sie bieten die Chance für eine kindgerechtere und lern-förderlichere Gestaltung des gesamten Schultages.
Wenn wir über das sprechen, was wir in die Koalition eingebracht haben, dann müssen wir drittens auch kurz über die verbesserte Ausstattung mit Lehrern sprechen. Sicher ist das ein heikler Punkt, weil man nie genug Lehrer haben kann, und wir wirklich im Förderschulbereich nach wie vor etwas tun müssen. Aber wenn wir als Vergleichsbasis andere Bundesländer betrachten, dann bescheinigt uns das letzte Bildungsmonitoring eben auch hier gute Ergebnisse. Nun wissen wir aber auch, dass mehr Lehrer noch lange keine bessere Bildung bedeuten. Gerade in der Art, wie wir versucht haben, den Schülerrückgang zu bewältigen, wird dies deutlich. Und das zählt nicht zu dem, was wir in die Koalition einbringen konnten, und ist kein Ruhmesblatt sächsischer Schulpolitik: Nur weil wir nicht ablassen konnten von einer zentral verwalteten Schule mit einheitlichen Strukturvorgaben, weil wir dadurch trotz Schulschließungen immer kleiner werdende Klassen hatten, weil wir also so weiter gemacht hatten, wir vorher – deshalb brauchten wir einen guten Teil der verbesserten Lehrerausstattung einfach nur dafür, den Status Quo zu halten.
Ein pädagogisches Plus kam beim Schüler oft nicht an, im Gegenteil können wir in einigen Schularten bis heute die Unterrichtsversorgung nicht sichern, obwohl sich die Schüler-Lehrer-Relation dramatisch verbesserte. Das können Sie dem Bildungsbericht im Detail entnehmen.
Damit komme ich zum vierten Ertrag dieser Koalition, den ich ja versprochen hatte: Wir haben mit einem Schulversuch auch ein Projekt gestartet, welches ressourcenneutral die Bildung unserer Kinder nachhaltig verbessert und gerade auch als Modell für eine wohnortnahe Schule trotz Schülerrückgang steht. Denn unser Projekt der Gemeinschaftsschule ist ja kein ideologisches. Wir sind und waren ja nie so verblendet zu glauben, dass einfach die Zusammenfassung von Bildungsgängen unter einem Dach eine bessere Bildung oder mehr Chancengerechtigkeit beschert. Es hat ja doch Gründe, dass sich das gegliederte Schulsystem solcher Beliebtheit auch in Lehrerkreisen erfreut.
Allerdings muss ich auch deutlich sagen: Eine Gemeinschaftsschule ist bei weitem kein anderer Name für eine Mittelschule, auch wenn das die Kultusverwaltung gern aus dem Schulversuch machen würde. Die Gemeinschaftsschule ist der Versuch, ein in der Einschätzung von Experten reformunfähiges System doch von innen zu reformieren und auf Nachhaltigkeit umzustellen. Der Schulversuch setzt deshalb auch genau dort an, wo nicht nur aus unserer Sicht die Reformunfähigkeit verankert ist: Bei der vor Ort praktisch fehlenden Verantwortung für die Bildungsprozesse, also beim Überwinden des Behörden- oder Anstaltsstatus unserer Schule.
Und weil sich Unruhe über die Schärfe dieser Einschätzung regt: Diese Reformunfähigkeit ist nicht etwa unsere Erfindung und die haben der deutschen Schule nicht etwa Reformpädagogen unterstellt, sondern z. B. ein Expertenteam im Auftrag der Wirtschaft. „Bildung neu denken!“ heißt die von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft finanzierte Studie von mehr als 50 Wissenschaftlern. Die Wirtschaft selbst findet noch viel drastigere Worte, ich will da nur an ifo-Präsident Hans-Werner Sinn erinnern: „Da dieses System jedoch die Ungleichheit vergrößert, ohne den Durchschnitt zu verbessern, gehört es in den Abfalleimer der Geschichte“ schrieb er am 13. 03. 2006 in der „Wirtschaftswoche“.
Ja, wir sind besser als andere.
Aber: sind wir denn auch gut? Das ist doch die Frage!
Gleich wie wir bei PISA oder einem Bildungsmonitoring abschneiden müssen wir uns doch fragen, ob unsere Schulen tatsächlich junge Menschen mit dem ausrüsten, was sie brauchen, um in der heutigen und künftigen Welt ein selbstbestimmtes Leben in sozialer, ökologischer und kultureller Verantwortung führen zu können.
Das ist jedenfalls der Maßstab, den sich auch die Koalition gewählt hat und der im Koalitionsvertrag nachzulesen ist.
Wir dürfen uns diese Frage nicht durch Rankings wie einen Bildungsmonitor oder PISA verstellen lassen. Es geht nicht darum, besser zu sein. Es geht darum, gut zu sein. ...

 



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